Personalleitung und Burn-out-Prophylaxe

Interview zur Burn-out-Vorbeugung

Psychische Erkrankungen wie Burn-out und Depressionen gehören zu häufigsten Gründen für langfristige Krankschreibungen und stellen HR-Verantwortliche wie Geschäftsführungen vor große Herausforderungen. Die zwischenzeitliche Vakanz lässt sich mit Interim Managern überbrücken. Im Idealfall nehmen HR-Verantwortliche psychische Erkrankungen als Hinweis, sich grundlegend mit den Arbeitsanforderungen und der Gesprächskultur im Unternehmen auseinanderzusetzen. Das folgende Interview ist für die Buchreihe „Essentials“ entstanden. Die Autoren Manfred Faber, Undine Zumpe und Christof Kerscher veröffentlichen in „Erfolgreiche Einsätze von Interimmanagern im Personalwesen“ Erfahrungsberichte von externen Personalmanagerinnen und Personalmanagern. Das Interview wurde für die Verwendung auf der Webseite bearbeitet. Ausgangspunkt ist ein Interimsmandat, in dem Michaela Just zum wiederholten Mal die HR-Managerin wegen Burn-outs ersetzte.

Interview: Michaela Just über Burn-out und Unternehmenskultur

Frage: Frau Just, Sie haben jüngst eine HR Managerin während ihres Ausfalls wegen Burn-outs bereits zum zweiten Mal vertreten: Werden Sie noch ein drittes Mal gerufen?

Michaela Just: Ich hoffe vor allem für die Betroffene, dass ich nicht noch einmal aus diesem Grund gerufen werde. Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, offen mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen, wenn Erschöpfungszustände erkannt werden bzw. wenn ein solcher vermutet wird. Der Fall dieser Kollegin zeigt sehr deutlich eine der Herausforderungen beim Umgang mit Burn-out. Die Kollegin erkennt diesen bis heute für sich selbst nicht wirklich an, ändert nichts und fällt kurze Zeit später wieder aus.

Frage: Die Einsicht der Betroffenen ist also eine der Herausforderungen. Und was sind andere?

Michaela Just: Die Leistungs- und Erwartungshaltung ist in sehr vielen Unternehmen unglaublich hoch geworden. Gleichzeitig fehlt eine vertrauensvolle Kultur, die es dem Einzelnen erlaubt oder sogar erleichtert, dem Arbeitgeber und der eigenen Leistungserwartung Grenzen zu setzen. Unter den Führungskräften gibt nur wenige, die danach leben und ihre Mitarbeiter dazu anhalten, sich nicht zu verbrennen, nicht auszubrennen.

Frage: Ist Burn-out Ihrer Meinung nach nur eine Modeerscheinung? Ein Beraterthema? Oder eine ernst zu nehmende Herausforderung unserer Tage, mit der wir uns als Gesellschaft auseinandersetzen müssen?

Michaela Just: Das Thema Erschöpfungszustand ist durchaus ernst zu nehmen. Als Gesellschaft müssen wir uns schon deshalb damit beschäftigen, weil sich – jedenfalls aus meiner direkten Beobachtung und Erfahrung als Coach heraus – im Falle einer Erschöpfung Berufliches und Privates nicht trennen lassen. Selten ist ein sog. Burn-out Kandidat nur aufgrund des beruflichen Drucks erschöpft.

„Permanente Erreichbarkeit oder Stand-by Modus erzeugen Druck“

Frage: Was sind denn die typischen beruflich bedingten Stressoren?

Michaela Just: Dass unsere ständige Erreichbarkeit in besonderem Maße zu Stress und Burn-out-Gefahr beiträgt, ist kaum zu bestreiten. Es hat sehr gute Gründe, wenn große Unternehmen diese Erreichbarkeit zumindest am Abend und an den Wochenenden technisch unterbinden. Und auch der jüngst aus dem Arbeitsministerium initiierte Appell zielt darauf. Permanente Erreichbarkeit oder ständiger Stand-by Modus erzeugen Druck. Lange Arbeitszeiten und schnelles Antworten gelten als Kompetenz, während das Warten bis zum nächstmöglichen Zeitpunkt als problematisch gewertet wird. Und so fängt man an, ständig und schnell zu antworten oder zu agieren. Das fördert eine hohe Erwartungshaltung – ein Kreislauf baut sich auf.

Frage: Ein Kreislauf, aus dem es kein Entrinnen gibt?

Michaela Just: Die Betroffenen nehmen die Umwelt zunehmend verzerrt wahr. Sie fürchten nahezu, die Erde würde sich nicht weiterdrehen, wenn sie auf Anfragen nicht sofort antworten. Das ist aber kein unentrinnbarer Kreislauf. Alle Burn-out-Kandidaten, die ich kenne und die sich therapeutische Unterstützung gesucht haben, erkennen inzwischen wieder den Unterschied zwischen echtem Notfall und völlig regulären Anfragen. Ein wichtiger privater Termin erhält dann wieder Priorität – ganz ohne, dass diese Menschen das schlechte Gewissen wie ein Schatten begleitet.

Frage: Um auf Ihren konkreten Burn-out-Vertretungsfall zurückzukommen: Wann wurden Sie gerufen und von wem?

Michaela Just: In diesem Fall war es die Geschäftsleitung, die mich angefordert hat. Da war die Stelleninhaberin bereits einige Wochen in der Auszeit und die Abteilung nicht besetzt.

„Mit Interim-Management wird eine kompetente Option der Vertretung angeboten“

Frage: Wir thematisieren hier einen Lösungsansatz, potenzielle Burn-out Kandidaten frühzeitig zu ersetzen, sodass sie erst gar nicht bis zur „Schmerzgrenze“ durchhalten, sondern schon vorher einen Ausweg erkennen und die Möglichkeit an die Hand bekommen, sich zeitweise ausklinken. Kann Interim-Management hierfür eine Option sein?

Michaela Just: Ein Interim-Manager in diesem Sinne ist die praktische Lösung, den Ersatz zu gestalten. Interim-Manager sind aber nicht die Lösung, die dem individuell Betroffenen hilft, wieder zu sich selbst zu finden. Diesen Weg müssen Betroffene alleine – besser sogar – mit einem Therapeuten oder Coach gehen. Mit Interim-Management wird dem Betroffenen eine kompetente Option der Vertretung angeboten, sodass er keinen vermeintlichen Gesichts- oder gar Stellenverlust fürchten muss. Mit solch einer Strategie haben Betroffene eine sehr gute Möglichkeit, sich für eine Zeit zurückzuziehen. Sie können Kraft zu tanken. Vor allem aber gilt es, sich über Prioritäten, beruflich und privat, klar zu werden. Selbstverständlich können spezialisierte Interim-Manager aber sehr viel dazu beitragen, dass Unternehmen die Burn-out-Risiken minimieren. Das ist etwa der Fall, wenn Interim Manager engagiert werden, um eine Unternehmenskultur mit Vertrauen und Offenheit zu schaffen.

Frage: Nun sind aber gerade die Betroffenen selten in der Lage, offen über einen möglichen Burn-out zu sprechen, zumal, wenn es sich um Führungskräfte handelt. Wer sollte aktiv werden?

Michaela Just: Es führt kein Weg daran vorbei, potenziell gefährdete Kollegen aufmerksam zu machen, sie so behutsam wie direkt auf ihren Zustand anzusprechen. Hier ist meines Erachtens die jeweilige Geschäftsführung gefordert, sich entsprechend mit der Führungskraft auseinanderzusetzen und ihnen Möglichkeiten einer Auszeit anzubieten. Das ist die Offenheit, die ich vorhin angesprochen habe.

Frage: Kommen wir noch einmal auf die Betroffenen zurück: Was passiert, wenn jemand sich selbst nicht eingesteht, dass er gefährdet ist und auch sonst sich niemand um die Person kümmert?

Michaela Just: Ein Kreislauf aus Rückzug, Wiederkommen und kurze Zeit später wieder ausfallen. In diesem konkreten Fall hatte das Unternehmen Glück, dass ich zeitnah wieder einspringen konnte, weil gerade ein Auftrag auslief, sodass eine Art von Kontinuität gewährleistet war. Wir haben auch gemeinsam versucht, die Stelle neu auszurichten, um der Kollegin nicht nur den Wiedereinstieg, sondern auch ihr künftiges Aufgabengebiet zu erleichtern.

Der Fall verdeutlicht insgesamt, wie schwierig es ist, einen Betroffenen anzusprechen. Ob das jemand aus dem Team ist, die Geschäftsleitung, jemand aus dem Gesundheitsmanagement oder ein externer Therapeut, muss im Einzelfall entschieden werden. Es ist wichtig, dem Betroffenen einen Lösungsweg aufzeichnen zu können.

Frage: Sie haben diesen Burn-out Fall begleitet und die Anfragen nehmen zu. Haben Sie selbst die Befürchtung – besonders als Selbstständige – in eine Burn-out Falle zu geraten?

Michaela Just: Als Selbstständige ist man zwar immer wieder stark unter Druck, verfügt aber über Auszeiten, in denen man sich um sich selbst kümmern kann. Externen Interim Managern fällt es naturgemäß auch leichter, sich von internen „Zwischenmenscheleien“ und Rivalitäten zu distanzieren – und damit den Druck nicht so nah ranzulassen. Das schützt zusätzlich. Ich weiß das sehr zu schätzen. Und so kenne ich es auch von Kollegen. Deshalb würde ich diese Unabhängigkeit auch nicht zugunsten einer Festanstellung aufgeben.

Quelle: Manfred Faber, Undine Zumpe und Christof Kerscher: „Erfolgreiche Einsätze von Interimmanagern im Personalwesen“, Verlag: Springer/Gabler, ISBN-13: 978-3658156305